Was ein EduCamp mit Containern zu tun haben könnte

Mit Freude stellte das Orgateam fest, dass am Wochenende unsere (vorläufige) Titelgrafik für die mixxt-Community Anlass zu Diskussion und Gedankenspielen gewesen ist. Herr Larbig twitterte zum Beispiel:

Postwendend wurden mögliche Antworten vorgeschlagen. Wolfgang Gross versuchte es spekulativ (und erinnerte damit an das Assoziationsspiel „In fünf Schrit­ten von Würst­chen zu Plato“, das Um­berto Eco in seinem „Fou­cault­schen Pen­del“ beschreibt):

 

Im *mms der Uni Hamburg wird der ISO-Container, eine unscheinbare Box aus Aluminium oder Stahl, die von Nieten und Schweißnähten zusammengehalten wird, seit längerer Zeit und immer wieder als Metapher verwendet (vgl. dazu insb. Meyer 2008). Aber was macht den Container (abgesehen vom Hamburger Lokalkolorit) so interessant?

In ihrer Bedeutung für die globale Entwicklung der Ökonomie kann die Nutzung des standardisierten Containers vermutlich gar nicht überschätzt werden. Das für die Frachtlogistik bis heute wichtigste Modell ist der nach ISO-Norm 668 gefertigte 40 Fuß-Container (aus dessen Verwendung die international gebräuchlichen Beladungseinheiten FEU, „Forty-foot Equivalent Unit“, bzw. TEU, „Twenty-Foot Equivalent Unit“, abgeleitet werden). Der Container misst 12,192 × 2,438 × 2,591 Meter und ist laut Wikipedia mit über 15 Millionen Exemplaren im weltweiten Handelsverkehr vertreten – und das, obwohl ihm bei seiner Einführung im Jahr 1956 durch den amerikanischen Fuhrunternehmer und späteren Reeder Malcom McLean große Skepsis entgegenschlug: Wie sollten auch all die unterschiedlichen Waren – Ballen, Kisten, Fässer, Stückgut – in eine starre, standardisierte Metallbox passen? McLeans Zeitgenossen waren nicht überzeugt. Und auch in Deutschland wurden die „Blechkisten“ zunächst müde belächelt als am 6. Mai 1966 mit der MS Fairland das erste Containerschiff (McLean erwarb es 1955 und baute es 1957 entsprechend seiner Vorstellungen um) in Bremen festmachte. In Hamburg wehrte man sich länger gegen die Einführung der neuen Technologie, hier legte das erste Containerschiff, die „American Lancer“, erst am 31. Mai 1968 an.
Aber entgegen aller anfänglichen Skepsis sollte sich McLeans in der Rückschau recht einfache Erfindung einer geschlossenen Transportkette auch in der Alten Welt durchsetzen: Seine Box konnte mit Hilfe eines Krans komplett von Bord eines Schiffes auf einen LKW oder zurück geladen werden. Diese Vereinfachung sparte Zeit und somit Geld. In den folgenden Jahren veränderte die Containerisierung den Schiffsbau, die Organisation des Warenhandels zu Wasser wie auf dem Land und sorgte für einen ungeahnten Effizienzschub der internationalen Handelsschifffahrt – kurz: sie war eine logistische Revolution. Die Nutzung des ISO-Containers veränderte Bedingungen und Orte landwirtschaftlicher wie industrieller Warenproduktion und damit einhergehend die Konsumgewohnheiten einer globalisierten Kundschaft. Mehr noch: Sie machte einen globalen Warentransfer, wie wir ihn heute kennen, überhaupt erst möglich. Und doch waren die Folgen noch wesentlich weitreichender und in ihrer Gesamtheit nicht notwendig beabsichtigt: Alte Berufe (wie etwa der des Schauermanns) verschwanden. Ehemals von Seeleuten und Hafenarbeitern frequentierte Viertel in den großen Hafenstädte begannen ihr Gesicht zu verändern (die Umstrukturierung Hamburg-St. Paulis ist ein prominentes Beispiel dieser Entwicklung). Die Zeit der Seefahrerromantik ist vorbei: „the standard container has all the romance of a tin can“, schreibt Marc Levinson in seinem Standardwerk zur Geschichte und Wirkung des ISO-Containers.

Am Beispiel des Containers, dieses vergleichsweise neuen Mediums im mehrere Jahrtausende alten Gewerbe der Handelsschifffahrt, lässt sich nicht nur nachvollziehen, dass mit Marshall McLuhan der Inhalt eines Mediums immer ein anderes Medium ist, sondern auch, dass die Folgen der Einführung eines neuen Mediums für die Gesellschaft in der Regel nur schwer abzuschätzen und noch seltener in ihrer Gesamtheit intendiert sind.
Der ISO-Container ist bei genauerer Betrachtung mehr als eine unscheinbare Box aus Aluminium oder Stahl, die von Nieten und Schweißnähten zusammengehalten wird. Und er hat möglicherweise viel mehr mit EduCamps und den dort diskutierten Themen zu tun, als man auf den ersten Blick ahnen mag.

Lektüretipps.

  • Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (Hg.): Containerhandbuch. Online unter: http://www.containerhandbuch.de/ (abgerufen am 22.01.2013).
  • Levinson, Marc: The Box. How the Shipping Container Made the World Smaller and the World Economy Bigger, Princeton 2006.
  • McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man, New York 1964.
  • Meyer, Torsten:  Bildung im Neuen Medium. Eine Einleitung. In: Meyer/Scheibel/Münte-Goussar/Meisel/Schawe (Hg.): Bildung im Neuen Medium. Wissensformation und digitale Infrastruktur. Education Within a New Medium. Knowledge Formation and Digital Infrastructure, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann 2008, S. 12-31 (Vorschau bei Google Books).

Foto: „#163 Container“ von Ralf Appelt (flickr, cc-Lizenz).

Zwitschernde Bots fürs EduCamp

twitterFür das EduCamp 2010 wird auf vielen Baustellen simultan geplant, geschrieben und gewerkelt. Die Vorbereitungen gestalten sich sehr spannend. Weil die Planung eines BarCamps für uns alle eine neue Erfahrung ist, aber möglicherweise interessierte Leser von unseren Erfahrungen profitieren können, haben wir beschlossen, hin und wieder auch kleinteiligere Arbeitsschritte zu kommunizieren.¬†Dieser Artikel berichtet von einem aktuellen und sehr speziellen Ausschnitt der Vorbereitungen, konkret von einer Frage: Wie baue ich einen Twitter-Bot, der automatisiert nach bestimmten Hashtags sucht (in unserem Falle naheliegender Weise das offizielle Hashtag für unser EduCamp,#ec10hh)? Insofern gibt dieser Beitrag nicht nur einen Einblick in einen Aspekt unserer Vorbereitungen, sondern bietet insbesondere auch ein Tutorial für interessierte Bot-Bastler. (mehr …)